Versicherungsbranche im Umbruch – Führen im digitalen Zeitalter

Versicherungsbranche im Umbruch – Führen im digitalen Zeitalter

15. September 2015 | DVA

Führung und Change ist ein neuer inhaltlicher Schwerpunkt im Bildungsprogramm der DVA. Lesen Sie ein Interview mit Rita Scheinpflug, Managing Partner der Fischer Group International, warum die Zeit der "allwissenden Führungskraft" vorbei ist und wie sie in diesen bewegten Zeiten Orientierung und Halt gibt.

Eine aktuelle Umfrage der Bertelsmann Stiftung widmet sich dem Thema Digitalisierung und kommt zum Schluss, dass durch die Digitalisierung Hierarchien an Bedeutung verlieren. Worauf müssen sich Führungskräfte einstellen?

Scheinpflug: Die Zeit der Helden – der Mythos von der allwissenden Führungskraft – ist vorbei.  In  unserer heutigen, durch hohe Komplexität und Dynamik gekennzeichneten Arbeitswelt ist  ein Fortschreiben dieses idealtypischen Führungsbilds nicht hilfreich. Nehmen wir die Versicherungswirtschaft, die aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase mit hohem Tempo neue Geschäftsmodelle aufbauen muss und zu Innovationen gezwungen ist. Keine Führungskraft kann die sich dabei oft widersprechenden Anforderungen in Gänze auf sich vereinen – einerseits muss sie neue, digitale Geschäftsmodelle schnell umsetzen, andererseits den hohen Erwartungsdruck der betroffenen Mitarbeiter an Einbindung und Kommunikation erfüllen. Zudem erwartet die Generation Y, die inzwischen rund 20 Prozent der deutschen Erwerbstätigen ausmacht, mehr Raum für eigenverantwortliches Handeln, Teamwork und einen offenen Kommunikationsstil. Zu lösen ist dies nur über flachere Hierarchien, kurze Entscheidungswege und das Teilen von Managementverantwortung mit Führungskräften des mittleren Managements und Mitarbeitern mit Expertenskills.

Eingefahrene Verhaltensmuster müssen geändert werden. Wie gehen Führungskräfte damit am besten um?

Scheinpflug: Es ist wichtig, Veränderungen bewusst zu gestalten. Dabei gilt es, den Change angepasst auf das Unternehmen und die spezifische Problemstellung zu „orchestrieren“. Das heißt Formate zu entwickeln, die wachrütteln, emotional ansprechen und gleichzeitig den offenen Dialog im geschützten Raum erlauben. Ich bevorzuge daher eher den Begriff des Change Commitment, statt dem eher mechanistischen und tool-basierten Management von Change.

Wichtig ist auch eine neue Sicht auf Führung. Die „interaktive Führung“ stellt sowohl Führende als auch Geführte in den Mittelpunkt der Führungsbeziehung. Führende und Geführte übernehmen dabei zu gleichen Teilen Verantwortung für den Führungsprozess und die Teamerfolge. Die Führenden werden durch das  Teilen von Verantwortung entlastet und der Führungsprozess um die Perspektive der Geführten erweitert. Es wird Zeit, dass sich der Blick auf die Führenden von einer Person, an die man Erwartungen und Forderungen richtet, verändert hin zu einer Person, die bereit ist Verantwortung zu tragen und diese gemeinsam mit ihrem Team zu schultern. Die Unternehmen profitieren bei dem Ansatz der „interaktiven Führung“ von einer verbesserten Kommunikations- und Teamkultur und davon, dass das Team durch das eigenverantwortliche Handeln aller Beteiligten bessere Ergebnisse erzielt.
 
Organisationsstrukturen anzupassen oder neu auszurichten ist zu einem kontinuierlichen Prozess geworden. Wie können Führungskräfte in diesen Zeiten der stetigen Veränderungen ihren Mitarbeitern Halt und Orientierung geben?

Scheinpflug: Entscheidend sind regelmäßiger Austausch, Dialog und das Erläutern des „Warums“. Orientierung entsteht gerade in Zeiten hoher struktureller Dynamik durch das sichtbare Vorleben der Werte und Haltungen des Unternehmens, die natürlich mit den eigenen übereinstimmen sollten. Hierzu zählen eine konstruktive Grundhaltung, die gekennzeichnet ist durch Vertrauen in die Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter, Delegations- und Dialogbereitschaft und die Fähigkeit, sich in die Situation der Mitarbeiter hineinzuversetzen. In Phasen struktureller Veränderungen ist es zudem wichtig, die Betroffenen nicht zu lange im Unsicheren über die neuen Strukturen zu lassen. Die Kunst besteht darin, weder zu früh noch zu kurzfristig vor der Umsetzung zu kommunizieren. Eine zu frühe Kommunikation ist ein idealer Nährboden für Gerüchte und Koalitionsbildung gegen die Veränderung. Als Konsequenz müssen Kraft und Energien aufgewendet werden, um mit den Widerständen umzugehen, statt diese Kraft sinnvoller in die Gestaltung des Prozesses zu investieren. Mit einer zu späten Kommunikation hingegen verliert die Führungskraft an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Ein Aspekt, der in Strukturveränderungen zudem häufig zu kurz kommt, ist, die betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter auf die neuen Rollen, Aufgaben und Anforderungen vorzubereiten und entsprechende Qualifizierungs- und Unterstützungsmaßnahmen anzubieten. Diesen Aspekt mitzudenken und zu planen ist ein wichtiges Signal: Wir lassen euch mit der Umsetzung der Veränderungen nicht alleine!


Hier finden Sie die Seminarreihe "Führung und Change" der DVA.

 

Ansprechpartner:in
Enrica Kopp 089-455547 731