„Betriebsratsarbeit ist auch Networking“

„Betriebsratsarbeit ist auch Networking“

09. Januar 2024

Ein Gespräch mit Professor Arnd Diringer, Arbeitsrechtler, über die Gestaltungsmöglichkeiten im Betriebsrat und den richtigen Zeitpunkt, Rechte und Pflichten wahrzunehmen.

DVA: Herr Professor Diringer, Sie sind Jurist, Hochschullehrer, Referent, Experte für Verfassungsrecht, Zivilrecht und Arbeitsrecht. Neben Ihren Fachpublikationen schreiben Sie für die Welt am Sonntag und Bücher über Heiteres aus dem Gerichtssaal. Was davon machen Sie am liebsten Und warum?

Eigentlich alles, denn alles gehört untrennbar zusammen. Das wissenschaftliche Arbeiten ist die Grundlage von allem. Denn es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie. Alles, was wir praktisch machen, auch in der Betriebsratsarbeit, basiert auf Rechtsnormen.

In meiner Kolumne geht es um das Recht, das die Menschen betrifft, als Arbeitnehmer im Arbeitsrecht, als Bürger, wenn es beispielsweise um verfassungsrechtliche Fragen geht. Gerade im Arbeitsrecht geht es um das Schicksal von Menschen und allzu oft eben auch um deren Verhaltensweisen. Menschen sind zwar vernunftbegabte Wesen, aber das bedeutet nicht, dass sie immer vernünftig agieren. Und das führt in der Praxis nicht selten zu kuriosen Konstellationen. Ein Teil davon, und das ist das, worüber ich schreibe, landet vor den Gerichten, sehr viel aber eben nicht und ist Alltag in den Unternehmen. Letztlich geht es um das Zusammenleben, das Zusammenarbeiten von Menschen, das ist das zentrale Thema bei allem.

DVA: Sie waren unter anderem Personalleiter in einem Versicherungsunternehmen und unterrichten jetzt Betriebsräte aus Versicherungsunternehmen. Was ist das Besondere an der Betriebsratsarbeit in der Versicherungswirtschaft?

Die Versicherungswirtschaft ist eine ganz eigene Branche mit anderen arbeitsrechtlichen Fragestellungen als beispielsweise in Herstellungsunternehmen. Daher ist es wichtig, dass Betriebsräte innerhalb der Branche geschult werden. Wir haben aber auch die Besonderheit, dass bei uns die Probleme sehr häufig sehr ähnlich sind, was sich aus der Ähnlichkeit der Produkte ergibt. Änderungen, etwa seitens des Gesetzgebers oder auch technische Innovationen betreffen insofern immer gleich die ganze Branche. Wir sitzen im gleichen Boot und sind mit den gleichen Fragen konfrontiert.

DVA: In ihren Seminaren für die DVA, die Versicherungsakademie speziell für Arbeitnehmervertretungen aus der Versicherungsbranche, die Sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen bestreiten, setzen Sie neben der Vermittlung von Neuigkeiten aus Gesetzgebung und Rechtsprechung vor allem auf kollegiale Fallberatung. Wie wichtig sind Netzwerke für die Betriebsratsarbeit?

Gerade in der Versicherungsbranche ist das Netzwerken letztlich etwas sehr Zentrales. Dadurch, dass wir sehr häufig mit den gleichen Fragestellungen konfrontiert werden, also gesetzgeberische Vorgaben, technische Innovationen usw. kann man über Netzwerke immer von dem Wissen anderer profitieren, sich andere Sichtweisen einholen. Insofern ist es auch wichtig, dass die DVA diese Seminare speziell auf die Versicherungsbranche auslegt, weil wir hier die Möglichkeit haben, über gemeinsame Diskussionen sehr, sehr viel für die Praxis mitzunehmen, was die Teilnehmer über das Seminar hinaus nutzen können.

DVA: Ihr Thema ist das Betriebsverfassungsrecht, das die Zusammenarbeit von Arbeitgeber und der betrieblichen Interessenvertretung regelt. Im Seminar behandeln Sie jetzt aber nicht jeden der über 130 Paragrafen?

Nein. Wir schauen uns die Paragrafen an, die für die Betriebsratsarbeit in der Branche von Bedeutung sind. Da ist zunächst der ganz, ganz wichtige Gedanke, der gleich am Anfang steht, die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Das bedeutet, dass Arbeitgeber und Betriebsrat von Beginn an gemeinsam versuchen, Lösungen zu finden. Das, was danach im Betriebsverfassungsgesetz folgt, ist die Ausformung dieses Gedankens: Was bedeutet dieses gemeinsame Finden von Lösungen? Welche Möglichkeiten hat der Betriebsrat? Welche Rechte aber auch welche Pflichten?

DVA: Was nehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit aus ihren Seminaren bzw. was wünschen sie sich, dass sie mitnehmen?

Das Erste, was sie mitnehmen können, ist, dass sie auf das, was auf sie zukommt, vorbereitet sind. Das betrifft zum einen die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber, aber auch die Verantwortung für andere Arbeitnehmer, also auch individualarbeitsrechtliche Fragen. Dazu gehört in den höheren Seminaren, dass wir uns aktuelle Entwicklungen anschauen, was beispielsweise in der Rechtsprechung geschieht, um Auswirkungen rechtzeitig einschätzen zu können.

Die Teilnehmer sollten am Ende wissen, zu welchem Zeitpunkt sie ihre Rechte und Pflichten wahrnehmen sollten. Das Betriebsverfassungsgesetz geht davon aus, dass Arbeitgeber und Betriebsrat einen gemeinsamen Weg gehen. Da ist es wichtig zu wissen, wann ich als Betriebsrat aktiv werden kann und muss, um mitgestalten zu können. Ich sage in den Seminaren gerne, wenn eine Standortverlagerung, Personalabbau oder eine neue Arbeitsmethode schon beschlossen sind, dann ist es definitiv zu spät.

DVA: Vielen Dank für das Gespräch.

Hier geht’s zum Seminarangebot für (Jugend-)Arbeitnehmervertretungen

Ansprechpartner:in
Kathrin Mölinger 089 455547-741